Vom Kindheitstraum und langjährigen Urlaubsziel zur Wahlheimat
Ziegen wollte ich hüten. Und mein Vater sollte die Kirchenorgel spielen, meine Mutter Hausfrau bleiben und mein Bruder Fischer werden. Schon mit fünf erzählte ich meiner Mutter, wie und wovon unsere Familie auf der Insel Brač leben würde. Wir wohnten in Österreich und verbrachten jeden Sommer zwei Monate am Meer, immer in Sumartin.
Hierher war meine Mutter als Kind gezogen, als ihr Stiefvater die erste Inselapotheke eröffnete. Sie kamen aus Dubrovnik, wo meine Mutter geboren ist . Auf der Insel Brač lebten sie in den 50er-Jahren, bevor sie in den Norden Kroatiens zogen, weil es meinem Opa hier im Sommer zu heiß war. Jeden Sommer kehrten Sie im Urlaub zurück, hier lernten sich meine Eltern als Studenten kennen, bevor sie nach Österreich auswanderten. Hier machte auch ich ausnahmslos jeden Sommer Urlaub. Urlaub über Generationen.
Zwischen Himmel und Meer
Was war es, was mich immer von der Insel Brač träumen ließ? Heute weiß ich, es war das, warum ich auch heute gerne hier bin. Die sauber duftende Luft, das ewig strahlende Sonnenlicht, der vergleichsweise stressfreie Alltagsrhythmus, die schlichte Lebensart, die rauhe Schönheit der sanften Natur, die Abgeschiedenheit vom Trubel bei der gleichzeitigen Nähe zum Festland. Heute ist es ein Katzensprung von Brač nach Split oder Makarska, zur nächsten Autobahnauffahrt oder zum Flughafen.
Auch wenn mein Herz zu zerspringen drohte, wenn ich alljährlich nach einer langen Anreise endlich das Meer und die geliebte Insel erblickte oder nach dem Urlaub wieder heulend abreisen musste, so verblasste mein Kindheitstraum mit den Jahren. Aber als Urlaubsziel gab ich die Insel nie auf.
Immer auf der Strecke zwischen Österreich, Deutschland und Kroatien
Später, während meiner Schulzeit in meiner Geburtsstadt Linz und beim Übersetzerstudium an der Uni Wien, als ich mich immer wieder frisch verliebte, stellte sich heraus, dass ich mir jemanden an meiner Seite wünschte, der beide Kulturen versteht, in denen ich aufgewachsen bin und der die Insel liebt! Leider gab es so jemanden nicht. Und ich hatte andere Prioritäten, wollte weg aus Wien, wo ich studiert und 10 Jahre gelebt hatte. Ich wollte in die weite Welt hinaus, nach Russland oder nach Asien, wo ich ein tolles Jobangebot hatte.
Dann, im Sommerurlaub nach meinem Studienabschluss, lernte ich auf Brač jemanden aus dem Nachbarort Selca kennen. Wir hatten uns nie zuvor gesehen, obwohl wir die gleichen Leute kennen, die gleichen Clubs und Discos besuchten. Insulaner waren für mich bis dato sowieso tabu. Zuviel Provinz für ein Stadtkind wie mich! Zu der Zeit, als wir uns trafen, lebte er schon länger in Deutschland und wir begannen eine Fernbeziehung zwischen Wien und Frankfurt. Nach einem Jahr zog ich zu ihm. Unseren Sommerurlaub verbrachten wir natürlich immer und ausschließlich auf der Insel, in seinem Elternhaus in Selca. Auch viele andere Urlaubs- und Feiertage. Später mit unseren beiden Kindern.
Über Split endgültig nach Brač
Durch die langen Elternurlaubszeiten, die ich auf der Insel verbrachte, lernte ich die Insel auch außerhalb der Sommersaison kennen und lieben. Ich war vom Inselleben fasziniert. Heute finde ich die Zeiten, wenn nicht so viele Gäste hier sind, fast schöner.
Irgendwann wurden mir die Reisen von Deutschland nach Brač zu lang und zu anstrengend, auch für die Kinder, und wir vermissten die Insel so sehr. Als die Kinder noch klein waren, beschlossen wir, nach Dalmatien zu ziehen, zunächst nach Split, dass uns und den Kindern mehr Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten bietet, dachten wir. Wir haben die dreieinhalb Jahre in Split sehr genossen, hatten eine Wohnung direkt am Diokletianspalast, ein paar Gehminuten von der Hafenpromenade entfernt. In Split fing ich wieder an, intensiver als Übersetzerin für Kroatisch-Deutsch zu arbeiten.
Dann gab es ein Stellenangebot im Tourismusverband Selca und ich schlug zu. Mein Mann ist Musiker und kann seinen Beruf ortsunabhängig ausüben. Wir zogen auf die Insel und ich arbeitete einige Jahre im Tourismus, übersetzte immer nebenher. Dann, als ich hier gut Fuß gefasst und mir ein Netzwerk aufgebaut hatte, habe ich mich in meinem Beruf als Übersetzerin komplett selbstständig gemacht. Also doch keine Ziegen hüten! Und das Inselleben, speziell in Selca auf der Insel Brač, würde ich um nichts in der Welt tauschen. Mehr dazu in meiner Reihe „Leben auf der Insel Brač“ oder unter https://de.wikipedia.org/wiki/Bra%C4%8D